Brasserie du MolardGenfCHE

Es gibt Ecken in Genf, da stinkt diese Stadt vor Geld. Oder, eigentlich müsste man es andersherum formulieren: In einigen, wenigen Ecken von Genf stinkt diese Stadt nicht vor Geld.

Das mag man gut finden, oder auch nicht, aber was mich fasziniert, ist, worauf die stinkreiche Klientel Wert legt, und worauf nicht. Stundenlang können die neureichen Russen darüber diskutieren, mit welchem Material sie die Säulen zu ihrer Garageneinfahrt verzieren. Welche Art Marmor darf es denn sein? Oder doch lieber eine ganz besondere Sorte Schiefer?

Und dieselbe Gruppe Menschen beobachte ich dann, wie sie in einem piekfeinen Restaurant zum Essen ein Heineken-Bier in sich hineingießen. Und noch besser, der Zufall will es so: Dieselben vier „Geschäftsleute“ wollen sich offensichtlich nach dem teuren Restaurantbesuch noch etwas Volkstümliches gönnen und kehren in der Brasserie du Molard ein, der kleinen Brauerei, in der ich heute den frühen Abend verbringe. Lautstark, selbstbewusst, rücksichtslos entern sie den Schankraum und bestellen mit einer herrischen Geste vier große Bier bei der netten Kellnerin hinter der Theke. Vier Bier. Keine Frage, was für welches, ob es überhaupt verschiedene Sorten gibt, einfach nur das Erstbeste.

„So, so“, denke ich mir, „wenn es darum geht, die Nachbarn zu beeindrucken, Außenwirkung zu erzielen, dann seid Ihr bereit, stundenlang zu diskutieren, aber wenn es um Euren eigenen Körper, Euren eigenen Genuss geht, dann ist es eigentlich völlig egal, was man zu sich nimmt. Einfach nur irgendein Bier. Wird schon passen.“ Es passt zum Bild dieser Stadt.

Offensichtlich scheinen dies aber fast alle Menschen in Genf zu machen, anders kann ich mir die Qualität des Biers hier in der Brasserie du Molard nicht erklären… Drei Sorten gibt es, Blonde, Ambrée und Blanche. Die Schweizer Variation des ewig gleichen Tripletts Hell, Dunkel, Weizen…

Das Hell, also das Blonde, schmeckt süßlich, unausgereift, nur wenig hopfenbitter. Dutzendware, wie man sie in den Gasthausbrauereien der Welt antrifft, wenn die Lagerkapazität knapp ist, der Umsatz hoch, die Lust an der Bierqualität gering und das Publikum wenig anspruchsvoll. Bier, das merkwürdigerweise immer in höchsten Tönen gelobt wird, egal, ob es Fehlgeschmäcker aufweist oder gar hart an der Grenze der Trinkbarkeit ist. So auch am Nachbartisch, bei den vier Geschäftsleuten. Große Gläser, eine Runde nach der anderen.

An meinem Tisch folgt auf das Blonde das Ambrée, ein leicht bräunliches, deutlich melanoidinig schmeckendes Braunbier, ebenfalls viel zu jung und unausgegoren wirkend. Ich bin nicht glücklich und entschließe mich dazu, das Blanche jetzt nicht mehr zu probieren. Keine Lust mehr auf Bier für heute …

MiniaturIch lasse noch einmal meinen Blick durch die Brauerei und die Schankstube schweifen. Es ist ja ganz nett und gemütlich eingerichtet. Typisch französischer Stil, bunte Dekorationen, die Tanks stehen dekorativ direkt neben der Theke, das Sudwerk ebenfalls gut einsehbar direkt dahinter. Es könnte so schön sein, wenn nicht ausgerechnet das Wichtigste, was es in einer Brauerei gibt, das Bier nämlich, so grauenvoll durchschnittlich, uninteressant und lieblos gebraut wäre. Wirklich schade.

Aber so scheint es in dieser Stadt zu sein. Die Bierqualität interessiert nur am Rande, weil man mit ihr die Nachbarn nicht beeindrucken kann. Die Reichen haben besseres im Sinn …

Die Brasserie du Molard ist täglich ab der Mittagszeit durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Aufgrund der zentralen Lage ist sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos zu erreichen; die Bushaltestelle Métropole, an der fast alle Buslinien der Stadt halten, ist gerade 200 m entfernt.

Bilder

Brasserie du Molard
Place du Molard 9
1204 Genève
Schweiz

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